Predigt-Blog

Hier schreibt unser Pastor Martin Pusch …

Lukas 6,36-42 - Barmherzig und großzügig leben

Bibeltext (BasisBibel)

36 »Seid barmherzig, so wie euer Vater barmherzig ist. 37 Ihr sollt andere nicht verurteilen, dann wird auch Gott euch nicht verurteilen. Sitzt über niemanden zu Gericht, dann wird Gott auch über euch nicht zu Gericht sitzen. Vergebt anderen, dann wird Gott auch euch vergeben. 38 Schenkt, dann wird Gott auch euch beschenken: Ein gutes Maß wird euch in den Schoß geschüttet – festgedrückt, geschüttelt und voll bis an den Rand. Denn der Maßstab, den ihr an andere anlegt, wird auch für euch gelten.« 39 Jesus erzählte ihnen auch ein Gleichnis: »Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden sie nicht beide in die Grube fallen? 40 Kein Jünger steht über seinem Lehrer. Auch wenn er fertig ausgebildet ist, ist er nur wie sein Lehrer. 41 Du siehst den Splitter im Auge deines Bruders oder deiner Schwester. Bemerkst du nicht den Balken in deinem eigenen Auge? 42 Wie kannst du zu deinem Bruder oder zu deiner Schwester sagen: ›Komm her! Ich zieh dir den Splitter aus deinem Auge.‹ Siehst du nicht den Balken in deinem eigenen Auge? Du Scheinheiliger! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge! Dann hast du den Blick frei, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders oder deiner Schwester zu ziehen.«

Predigt

Im Lukas-Evangelium gibt es keine Bergpredigt: Dafür gibt es aber die sogenannte Feldrede. Eingeleitet wird diese Rede in Kapitel 6,17. Die Feldrede geht bis zum Ende des 6. Kapitels. Wie bei der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium startet die Feldrede mit Seligpreisungen. Aber es gibt auch Weherufe, die es so in der Bergpredigt nicht gibt. Für beide Reden gilt (6,47-48): Wer tut, was Jesus sagt, der gleicht einem Menschen, der ein Haus baute und grub tief und legte den Grund auf Fels. Für uns ist das eine Aufforderung, tief zu graben, um unser Lebenshaus auf ein gutes Fundament zu stellen. Man sieht einem Haus nicht unbedingt an, ob es ein gutes Fundament hat. Aber auf lange Sicht können wir uns in unserem Leben keine Oberflächlichkeit leisten. Wenn die Stürme des Lebens kommen (und sie werden nicht ausbleiben), kann unser Lebenshaus einstürzen, wenn ihm das feste Fundament fehlt.

Was ist eine gute Grundlage für unser Leben? Wo können wir anfangen, zu graben, um diesen Fels zu finden, der sich als Fundament für unser Leben eignet?

Jesus fordert uns auf, barmherzig zu sein, und damit Gottes Vorbild zu folgen. Wie Gott handelt, das hatte Jesus gerade vorher erklärt, nämlich im 35. Vers:

35 … Liebt eure Feinde. Tut Gutes und verleiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. Dann werdet ihr großen Lohn erhalten und Kinder des Höchsten sein. Denn Gott selbst ist gut zu den undankbaren und schlechten Menschen.

Gott ist unfassbar großzügig. Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um uns von Gottes Großzügigkeit zu berichten. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt, bei seiner ersten Rede im Lukas-Evangelium sagt Jesus (4,18-19):

18 Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu verkünden. Den Gefangenen soll ich zurufen, dass sie frei sind, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen. 19 Ich soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.

Mit dem Stichwort “Gnadenjahr” kommt hier ein alttestamentliches Thema zur Sprache, welches mit dem Sabbatjahr (jedes 7. Jahr) und dem sogenannten Jobeljahr (das 50. Jahr nach 7 x 7 Jahren) verbunden ist. Gott wollte nicht, dass in seinem Volk jemand aus seinen Schulden nicht mehr heraus kommt. Gottes Volk sollte nie vergessen, dass das Land, in dem es lebte, letztendlich Gott gehört, und Gott es ihnen nur geliehen hat. Es sollte nicht so sein, dass einige wenige Menschen Grundbesitz und Kapital anhäufen, und ein Großteil der Bevölkerung darüber verarmt. Deshalb sollte in gewissen Zeitabständen alles wieder an die ursprünglichen Besitzer zurückgehen. Und noch ein anderes Detail ist wichtig: Im Sabbatjahr durfte das Ackerland nicht bewirtschaftet werden. Trotzdem brauchte sich niemand Sorgen zu machen, nicht genug zu essen zu haben. Denn Gott wollte im vorausgehenden sechsten Jahr den dreifachen Ertrag der Felder schenken (3. Mose 25,20-23). So sollte es immer genug zu essen geben. Gottes Volk sollte durch diesen Rhythmus nie vergessen, dass das Land Gott gehört, und dass alles letztendlich von Gott kommt, auch die Ernte, auch der Ertrag der eigenen Arbeit.

Das alles steckt mit drin, wenn Jesus feststellt: Gott ist barmherzig. In dieser Hinsicht sollen wir wie Gott sein: barmherzig. Und während wir noch überlegen, wie wir das wohl hinbekommen, bringt Jesus schon einige praktische Beispiele. Wir sollen andere Menschen nicht richten oder verdammen, sondern wir sollen ihnen vergeben (V. 37). Indem wir so handeln, wie Gott handelt, erweisen wir uns als Gottes Kinder. Gott ist dann ganz offensichtlich unser Vater. Gott als unser Vater sorgt für uns. Indem wir anderen Menschen helfen, mit unserem Besitz, gibt Gott uns, was wir selbst brauchen, und misst dabei sehr großzügig zu.

Wenn man die Verse über das Geben oberflächlich liest, könnte man meinen, es gehe hier um gegenseitige Unterstützung. Heute gebe ich dir etwas, weil du es brauchst, und morgen brauche ich vielleicht etwas, und finde dann auch jemanden, der es mir gibt. Doch es geht um mehr. Jesus sagt in V. 34:

34 … Sogar die Sünder leihen sich gegenseitig Geld, um den gleichen Betrag zurückzubekommen.

Jesus geht es darum, dass wir überhaupt nicht mehr mitrechnen. Wir sollen Gutes tun und auch leihen, ohne etwas dafür zu erhoffen (V. 35). Es geht also nicht darum, nett zu anderen Menschen zu sein, damit sie dann auch nett zu uns sind. Das allein wäre keine Barmherzigkeit, denn dazu braucht man Gott nicht. Es geht darum, dass wir in unserem Leben eine Großzügigkeit entwickeln, die von Gottes Barmherzigkeit her denkt. Dabei geht es nicht nur um unseren Besitz, sondern auch um unsere Meinung über andere Menschen. Es wird nicht ausbleiben, dass wir das Tun anderer Menschen beurteilen müssen. Aber es steht uns nicht zu, andere Menschen zu verurteilen. In dem Moment, wo wir andere Menschen aufgeben, sind wir unbarmherzig. Dann sind wir blind für Gottes Barmherzigkeit.

Gott wird uns so behandeln, wie wir selbst andere Menschen behandeln. Sind wir anderen Menschen gegenüber großzügig, ist Gott auch uns gegenüber großzügig. Sehen wir anderen Menschen ihre Fehler nach, ist Gott auch uns gegenüber nachsichtig. Wir sollen so sein, wie Gott ist. Gott wird uns so behandeln, wie wir es mit anderen tun. Den Maßstab, den Gott anlegen wird, bestimmen wir also selbst. Möchten wir nicht, dass Gott uns richtet, dann sollten wir selbst auch nicht richten. Letztendlich bleibt Gott der einzige, der einen Menschen abschließend beurteilen kann. Im Gegensatz zu Gott sind wir in der Regel noch damit beschäftigt, an uns selbst zu arbeiten.

Wen vergleicht Jesus denn nun mit einem blinden Blindenführer (V. 39)? Hier im Lukas-Evangelium bleibt der Zusammenhang etwas rätselhaft. Jesus fordert uns ja dazu auf, uns in unserem Tun an Gottes Barmherzigkeit zu orientieren. Wenn wir aber selbstsicher werden, sehen wir nicht mehr auf Gott, sondern wir sehen auf uns selbst.Wir verwenden unsere eigene Haltung als Maßstab. Es passiert uns immer wieder, dass wir mit selbstgemachten Regeln arbeiten. Wir unterstellen sogar Gott, er würde sich von Regeln und Prinzipien leiten lassen. Doch damit geben wir zu erkennen, dass wir blind sind. Wir erkennen nicht, dass Gott mit uns in Beziehung treten will. Gott handelt aus Liebe und Barmherzigkeit heraus, ganz unabhängig davon, ob wir es unserer Meinung nach verdienen oder nicht.

Wir sollen uns hüten, so zu tun, als wenn wir schon alles wüssten (V. 40). Wie man mit Menschen in Liebe und Barmherzigkeit umgeht, das können wir von Gott lernen. Wahrscheinlich werden wir das ganze Leben lang Lernende bleiben. Wir werden Rückschläge zu verzeichnen haben. Es kann uns sogar passieren, dass wir uns um jemanden bemühen, und diese Person dankt es uns nicht. Gott wird von vielen Menschen abgelehnt. Wenn wir Gottes Beispiel folgen, werden wir nicht überall auf Zustimmung stoßen. Es wird uns als Schüler Gottes nicht besser gehen als es Gott selbst geht.

Dann gebraucht Jesus einen drastischen Vergleich, um uns eine Sache deutlich zu machen. Wir neigen dazu, ganz deutlich selbst kleinste Fehler bei anderen Menschen bemerken. Mit uns selbst können wir aber äußert großzügig sein. Also ruft Jesus uns auf, zuerst an uns selbst zu arbeiten. Unsere erste Baustelle ist unser eigenes Leben. Erst dann, wenn wir bescheiden geworden sind, weil wir selbst noch so viel zu lernen haben, können wir auch anderen Menschen helfen, ihre Schwächen loszuwerden.

Wenn wir unser Leben auf eine gute Grundlage stellen wollen, dann auf die Grundlage von Gottes Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit Gottes ist ein Geschenk an uns, denn verdient hätten wir sie nicht. Daran sollen wir denken, und auch anderen Menschen gegenüber nicht überheblich werden. Wir haben selbst noch viel zu lernen, und sind nicht in der Position, andere zu korrigieren. Aber wir dürfen lernen, mit anderen Menschen barmherzig zu sein, wie Gott, unser Vater, es uns vormacht. Gott wird uns zurück geben, was und wie wir austeilen.


Martin Pusch – Predigt gehalten am 19. Januar 2025.