Kolosser 1,13-20 – Versöhnung und Frieden
Bibeltext (BasisBibel)
13
Er hat uns vor der Macht der Finsternis gerettet und der Herrschaft seines geliebten Sohnes unterstellt.14
Der schenkt uns die Erlösung, die Vergebung unserer Sünden.
15
Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der zuerst Geborene: Vor allem Geschaffenen war er da.16
Denn durch ihn wurde alles geschaffen, im Himmel und auf der Erde. Das Sichtbare und das Unsichtbare – ob Throne oder Herrschaftsbereiche, ob Mächte oder Gewalten – alles wurde durch ihn geschaffen und alles hat in ihm sein Ziel.17
Er ist vor allem da, und in ihm hat alles Bestand.18
Und er ist das Haupt des Leibes – der Gemeinde. Er ist der Anfang: der erste der Toten, der neu geboren wurde. In jeder Hinsicht sollte er der Erste sein.19
Denn so hatte es Gott beschlossen: Mit seiner ganzen Fülle wollte er in ihm gegenwärtig sein.20
Und er wollte, dass alles durch ihn Versöhnung erfährt. In ihm sollte alles zum Ziel kommen. Denn er hat Frieden gestiftet durch das Blut, das er am Kreuz vergossen hat. Ja, durch ihn wurde alles versöhnt – auf der Erde wie im Himmel.
Predigt
Letzten Sonntag haben wir im ersten Kapitel des Kolosserbriefes bis Vers 12 gelesen:
12
Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Erbe der Heiligen, die im Licht leben.
Paulus und Timotheus haben diesen Brief an die Christen in Kolossä geschrieben. Deshalb werden hier die Leser angesprochen: “Der Vater hat euch fähig gemacht.” Doch mit unserem Text heute, ab Vers 13, geht es nicht mehr um euch, sondern es geht um uns. Was die beiden Autoren nun schreiben, das gilt für alle, die sich zu Jesus Christus zählen.
Für den heutigen Sonntag setzen wir ja den Schwerpunkt auf unsere Dankbarkeit. Alles, was wir zum Leben brauchen, bekommen wir von Gott. Das machen wir uns bewusst. Der Textabschnitt für heute zeigt uns deutlich, was Gott für uns tut. Deshalb werden wir aufgefordert: “Dankt dem Vater mit Freude!”
Im Text ist von zwei Machtbereichen die Rede. Es gibt den Machtbereich der Finsternis, und es gibt den Herrschaftsbereich von Jesus Christus. Der Machtbereich der Finsternis lebt davon, dass vieles im Dunkeln bleibt. Nichts ist klar erkennbar. Man kann kaum etwas unterscheiden. Ohne Licht gibt es auch keine Orientierung und keine Möglichkeit, die Zeit zu messen. Der Machtbereich der Finsternis ist für uns keine Umgebung, in der wir wirklich leben können.
Nun hat uns der Vater aus der Macht der Finsternis gerettet. Der Vater hat uns der Herrschaft seines Sohnes unterstellt. Für uns bedeutet dies einen Ortswechsel. Wir sind nicht mehr im Herrschaftsbereich der Finsternis. Wir sind nun in einem neuen Bereich. Wir sind im Herrschaftsbereich von Jesus Christus. Wir leben nun im Licht (siehe Vers 12).
Der Vater und der Sohn sind durch Liebe miteinander verbunden. Von Liebe war schon zweimal die Rede, denn die Kolosser haben durch Epaphras und durch den Heiligen Geist Liebe zu allen Heiligen gelernt (Kolosser 1,4.8). Noch zwei weitere Male werden Paulus und Timotheus auf die Liebe verweisen (Kolosser 2,2;3,14). Denn um Liebe müssen wir uns immer neu bemühen. Genau so sind auch der Vater und der Sohn miteinander verbunden. Beide wollen gemeinsam etwas Neues schaffen, und sich dann auch miteinander am Ergebnis freuen.
Deshalb beziehen der Vater und der Sohn uns in ihre Liebe mit ein. Der Sohn schenkt uns Erlösung und Vergebung unserer Sünden. Dieses Geschenk zeigt uns, dass wir geliebt sind. Liebe rechnet Fehler nicht an, schreibt Paulus an anderer Stelle (1. Korinther 13,5). Es ist ganz wichtig, dass wir verstehen: Wir werden nicht erst eines Tages geliebt sein, wenn wir es geschafft haben, irgendwie besser zu werden. Nein, sondern aus Liebe hat uns der Vater bereits in das Reich des geliebten Sohnes versetzt. Er hat es bereits getan. Wir sind bereits am neuen Ort. Wir bekommen Erlösung und Vergebung geschenkt. Und alle anderen, die mit uns in diesem Reich sind, haben dieses Geschenk ebenfalls erhalten.
Der Text von Vers 15 bis Vers 20 hat einen besonderen Aufbau. Drei Verse sprechen von der Schöpfung, und drei Verse sprechen von der Erlösung. Die Einteilung in Verse ist natürlich erst später vorgenommen worden. Aber die Struktur des Textes ist deutlich zu erkennen.
Bevor wir hier einsteigen, sollten wir uns ein paar Gedanken zum ersten Schöpfungsbericht machen (1. Mose 1,1-2,3). Als Gott mit der Schöpfung anfängt, ist die Erde bereits da. Aber auf der Erde herrschen Finsternis und Chaos. Gott schafft Licht, und ordnet das Chaos. Licht und Finsternis werden voneinander getrennt. Tag und Nacht werden voneinander getrennt. Wasser und Land werden voneinander getrennt. Gras, Kraut und Bäume werden geschaffen und können anhand ihrer Früchte voneinander unterschieden werden. Sonne und Mond werden geschaffen, um die Zeit einteilen und unterscheiden zu können. Wenn wir wollen, erkennen wir also Gottes ordnende Hand in vielen Bereichen. Nicht nur die Schöpfung an sich ist am Ende sehr gut. Sehr gut ist, dass alles weise eingeteilt und geordnet ist. Es gibt getrennte Bereiche. Es gibt die Möglichkeit der Unterscheidung. Es gibt einen Rhythmus, nämlich Tag und Nacht. Es gibt die Woche, die mit einem Ruhetag endet. Es gibt Monate und Jahre. Und Gott schafft den Menschen als sein Ebenbild. Der Mensch bekommt den Auftrag, zu herrschen. Der Mensch soll Gottes Ordnung erkennen und den Geschöpfen Namen geben.
Jetzt, hier im Kolosserbrief, geht es wieder darum, Chaos zu ordnen. Die Verse 13 und 14 haben es uns schon gesagt: Finsternis und Licht werden voneinander getrennt. Der Vater rettet uns aus dem Bereich der Finsternis. Er unterstellt uns der Herrschaft seines geliebten Sohnes. Wir bekommen Erlösung und Vergebung geschenkt. Gott greift in diese Welt ein. Gott ordnet das Chaos. Und wieder gibt es ein Ebenbild Gottes, nämlich Christus. Christus ist das Ebenbild Gottes. Wir erfahren, dass Christus vor allem Geschaffenen bereits da war. (Siehe auch: Sprüche 8,22-36) Nicht nur das: Durch Christus wurde überhaupt alles geschaffen.
Es ergibt sich aus diesem Text, dass Christus für alles steht, was in irgendeiner Form sichtbar und erfahrbar ist. Der Vater ist unsichtbar. Aber Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. In Christus wird der Vater für uns erkennbar. Der unsichtbare Vater tritt damit aus der Unsichtbarkeit heraus. Der Vater offenbart sich und wird sichtbar in Jesus Christus. Durch Christus wurde alles geschaffen.
Im Hebräischen wird für den Anfang und für das Haupt dasselbe Wort genutzt, nämlich “Rosch”. Wenn ein Kind geboren wird, dann wird es normalerweise mit dem Kopf zuerst geboren. Das erste, was sichtbar ist, ist der Kopf. “Rosch” ist auch das erste Wort der Bibel. Im Anfang (Bereschit, hebräisch בְּרֵאשִׁית) schuf Gott Himmel und Erde.
Christus ist der zuerst Geborene. Christus ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde. Wir sehen: Beides ist dasselbe. Beides gehört zusammen, der Anfang und das Haupt. Christus ist der Anfang der Schöpfung, und auch das Haupt der Gemeinde. Christus ist der Anfang der Neuschöpfung, denn er ist der erste der Toten, der neu geboren wurde. Christus ist also nicht nur zeitlich gesehen der Erste, sondern er ist vor allem vom Rang her der Erste. Deswegen ist Christus in jeder Hinsicht der Erste.
Im Schöpfungsbericht sehen wir, wie Gott das Chaos ordnet. Christus ist in jeder Hinsicht der Erste. Auch in der Neuschöpfung geht es darum, alles zu ordnen. Himmel und Erde, Sichtbares und Unsichtbares, Throne, Herrschaftsbereiche, Mächte oder Gewalten werden hinter Christus eingeordnet.
In diesem ganzen Text geht es nicht um einen Kampf, um eine Auseinandersetzung, die Christus dann für sich entscheiden kann. Nein, sondern alles wird durch den Vater hinter Christus eingeordnet. Christus ist der Anfang und das Haupt. In Christus ist Gott, der Vater, mit seiner ganzen Fülle gegenwärtig. So, wie Gottes Gegenwart bei der Tempeleinweihung den ganzen Tempel erfüllt hat (1. Könige 8,11), so ist der Vater in seiner ganzen Fülle in seinem Sohn Jesus Christus gegenwärtig.
Alles steuert in Christus auf ein Ziel zu. Dieses Ziel heißt Versöhnung und Frieden. Christus ist der Erste der Toten, der neu geboren wurde. Die Toten, das sind wir Menschen. Denn seit sich die Menschheit über Gottes Willen hinweggesetzt hat, sind wir tot. Wir können nichts erreichen und festhalten. Wir können nichts Dauerhaftes schaffen. Wir hinterlassen keine Spuren. Wir können zu keinem Ziel kommen, weil wir nicht mehr Teil von Gottes Ordnung sind.
Unsere Erlösung ist nicht bloß eine Reparatur dessen, was seit der Schöpfung falsch gelaufen ist. Der Schöpfungsbericht ist davon geprägt, dass Gott das Chaos ordnet, Rhythmus schafft und Unterscheidung ermöglicht. Die Neuschöpfung durch Christus ist davon geprägt, dass der Vater in Christus alles ordnet und versöhnt. Christus, als das Haupt, hat einen Leib, die Gemeinde. Die Gemeinde ist der Platz, an dem der Vater das Chaos beendet und uns einordnet. Als Gemeinde der Glaubenden hängen wir an Christus mit dran. Damit sind wir versöhnt.
Es mag äußerlich so ausgesehen haben, als ob Jesus am Kreuz eine Art Märtyrertod erlitten hat. Doch hier, im Kolosserbrief, wird stark betont, dass Gott mit seiner ganzen Fülle ist Christus gegenwärtig sein wollte. Es war Gottes Willen, dass alles durch Christus Versöhnung erfährt. Alles soll in Christus zum Ziel kommen. So hat Christus Frieden gestiftet durch das Blut am Kreuz.
Wenn hier vom Blut am Kreuz die Rede ist, so klingt damit der jährliche Versöhnungstag an, der mit einem Opfer für das ganze Volk vollzogen wurde. Davon ist im Alten Testament die Rede. Gott selbst vollzieht diese Versöhnung durch das Blut am Kreuz. Der Vater nimmt also nicht nur ein Opfer entgegen und lässt es gelten, als Jesus am Kreuz stirbt. Sondern der Vater ist in Christus, und hat alles versöhnt und zum Ziel gebracht.
Himmel und Erde sind in Gottes Versöhnung mit eingeschlossen. Christus ist in jeder Hinsicht der Erste. Er ist der Anfang, und er ist das Haupt. Damit startet ein wirklich umfassender Friede. Versöhnung ist da, in Christus.
Wenn wir also für den Frieden beten und für Frieden eintreten, dann geht dies nur in Christus. Frieden entsteht nicht dadurch, dass wir einen guten Friedensplan umsetzen. Frieden ist nur möglich, weil Christus das Haupt ist. Frieden ist nur möglich, wo wir uns auf Jesus Christus beziehen. Das gilt für unseren Alltag. Das gilt für unsere Ehen. Das gilt für die Gemeinde. In Jesus Christus ist wahre Gemeinschaft mit Gott möglich. Nur so kann Frieden herrschen.
Gleichzeitig sehen wir: Christus ist nicht nur für eine kleine Gruppe von Menschen gestorben. Ziel ist, dass die ganze Welt Gottes Heil erlebt. Es gibt keinen Bereich in diesem Kosmos, den Gott nicht versöhnen will. Das Große Ganze in dieser Welt braucht uns also keine Angst zu machen. Wichtig ist, dass wir selbst als mit Gott versöhnte Menschen leben. Wir dürfen also nicht vergessen, dass wir bereits in dem Reich von Gottes geliebtem Sohn leben. Dazu gehört, dass wir unser Leben von Gott einordnen lassen in die neue Schöpfung. Versöhnung und Frieden sind Geschenke, durch welche unser Leben zum Ziel kommt. Für uns ein wirklich umfassender Grund, Gott zu danken.
Martin Pusch – Predigt gehalten am 5. Oktober 2025.